Ouvertüre: Von Eimern und Wellen
Ich möchte meinen neuen Blog mit der Zusammenfassung eines Workshops für Medienschaffende beginnen, weil hier Vieles auftaucht, das für meine Arbeitsweise charakteristisch ist.
Nachlese zum Workshop: Gute Stimme – gute Beiträge
Es war eigentlich ein Zufall, die Sache mit dem Eimer. Natürlich wollte ich diese praktischen Behälter in meinem Stimmbildungsworkshop einsetzen. Das sind in der Tat sehr anschauliche, hochwissenschaftliche Unterrichtsmaterialien. Einen solchen aber bei der Vorstellung der Workshopleiter mit auf die Bühne zu nehmen, kam mir spontan, weil ich merkte, in wie viele fragende, belustigte Gesichter man schaut, schiebt man sich mit einem Stapel von acht Plastikeimern im Fraunhofer-Zentrum durch die Tagungs-menge. Ein Werbegag können Sie sagen! Stimmt. Aber wenn Werbung dazu taugt, Neugier und Spieltrieb zu wecken, soll es mir recht sein.
Gerade der Gewinnerfilm des OKTV-Tags hat gezeigt, wie sehr ein guter Sprecher mit einem angenehmen Stimmklang zur Qualität des Gesamtwerks beitragen kann. Wodurch zeichnen sich gute Sprecher aus? Die Antwort ist verblüffend simpel: Sie klingen einfach ganz natürlich. Bei der Eingangsdiskussion wurde schnell klar, dass viele Workshop-Teilnehmer bei ihren ersten Audioaufnahmen leider ganz andere Erfahrungen gemacht haben. Die Texte klingen steif, vorgelesen oder wenig lebendig. Die Gründe dafür liegen in der in gewissem Sinne ‚virtuellen’ Studiosituation, in der ein Sprecher allein in einer Kabine vor einem Mikrophon steht, anstatt den direkten Kontakt zum Publikum zu haben. Auch mit technischen Erfordernissen einer Audioaufnahme muss man erst eimal auseinandersetzen.
Der Stimmklang kann nicht losgelöst von diesen äußeren Umständen gesehen werden, sondern ist vielmehr Resultat einer Anpassung an eben diese. Sie ist ein präziser Gradmesser dafür, ob ich mich beim Einsprechen wohlfühle oder eben nicht. Warum der eigene Ton so veränderlich ist, wurde anhand eines Spektrogramms deutlich gemacht. Ein Teilnehmer sang einen Ton in ein Mikrofon und das Ergebnis wurde für alle auf dem Bildschirm sichtbar: Sie sahen ein lasagneartiges Gebilde, eine Fülle von Wellen, Teiltönen, die sehr empfindlich auf kleinste Veränderungen reagieren. Klangparameter wie Wärme, Tragfähigkeit und Beweglichkeit wurden thematisiert und auf dem Spektrogramm verortet.
Und die Eimer? Mit denen haben wir gespielt. Erst haben wir etwas gesungen … ja, Sie haben richtig gelesen, gesungen. Die Eimer haben wir durch den Klang unsere Stimme vibrieren lassen, haben die Schallwellen nicht nur gehört sondern auch an unseren Händen gefühlt. Ein Spiel? Ja! So wie Sprache ein Spiel ist, so kann auch das Sprechen spielerisch, lustvoll und vor allem angenehm sein. Nachdem wir die Eimer zum Klingen gebracht hatten, haben wir noch einmal gesungen und das Ergebnis war nach dem Empfinden vieler Teilnehmer harmonischer und klangvoller. Fazit: Je mehr Beweglichkeit, Lebendigkeit und Freiheit wir uns gestatten, desto leichter können wir uns von der Studio-Starre befreien. Auch das ist Medienkompetenz.