Den „Ton angeben“: Konfliktsituationen mit der Stimme souverän meistern
Im kürzlich abgeschlossenen Bildungsurlaub in Hannover reflektierten die Teilnehmer/-innen Situationen, in denen es schwer oder unmöglich war, die Stimme klanglich zu kontrollieren. Gerade in emotional aufgeladenen Momenten kann es sein, dass man in die Gefühlslage des Gegenübers hineingezogen wird und z.B. laut wird, weil der Andere laut ist. Wenn man in einer Leitungsposition ist, sei es als Trainer/-in, Betreuer/-in oder Vorgesetzte/-r, ist es wichtig, die professionelle Distanz zu wahren und auch stimmlich zeigen, wer der „Boss“ ist. Ein interessanter Impuls eines Teilnehmers war, die laute Person eher leise anzusprechen, um ihr zu signalisieren, dass man sich nicht von ihrem Verhalten beeindrucken lässt. Oder, wie es eine andere Teilnehmerin treffend beschrieb: Ihr klar zu machen, dass man „den Ton angibt“. Diese Abgrenzung und Selbstbestimmtheit ist eine wichtige Voraussetzung, um deeskalierend zu wirken.
Oft ist es aber schwierig, diese Selbstbestimmtheit abzurufen, wenn es darauf ankommt. Bei Konflikten oder auch Gefühlen von Lampenfieber oder Auftrittsangst werden Stress- und Haltungsroutinen in Gang gesetzt, die wir oft gar nicht bemerken. Die Schultern gehen nach oben, der Nacken verkürzt sich, der Atem wir flach. Diese Schutzmechanismen wirken sich direkt auf die Stimmqualität aus. Die Stimme wird z.B. schrill oder gequetscht, zu laut oder rau und heiser. Man hört, in welchem Zustand man sich befindet.
Klang- und körperorientierte Stimmbildung verlegt den Fokus von der äußeren Situation auf die innere Selbstwahrnehmung. Hemmende Haltungs- und Schutzroutinen werden erkannt. Das ist der Schlüssel zu einem anderen Umgang mit der Situation und sich selbst. Denn nun kann man Vorkehrungen treffen, stabiler und flexibler zu agieren, ohne sich selbst zu behindern. Man sich einerseits durch Erste Hilfe-Übungen kurz vor der Sprechsituation besser auf sie einstimmen. Andererseits kann man den langfristigen Lern-Effekt von Entspannungs- und Klang-Übungen nutzen, da er im Körpergedächtnis gespeichert werden kann. Dieses bessere Gefühl wird in einer Stress-Situation genauso gut abrufbar, wie die ungünstigen und hemmenden Routinen. Mit einem positiveren Selbstbild kann man auch schwierigen Situationen sicherer und flexibler begegnen.
Gabriele Neumann
21. Februar 2018 at 22:14Dank persönlichem Feedback von Dozentin und Teilnehmern sowie technischer Analyse konnte meine Stimme nach dem Seminar Punkte machen. 1:0 für meine Stimmung. Unsere Erste-Hilfe-Übungen kamen schon kurz nach dem Bildungsurlaub zum Einsatz. Vorm Losfahren für Lautheit und Präsenz noch mal Schulter und Hüfte gegen den Türrahmen gedrückt, für die Sängerformanten im Auto auf mmm und auf nnn gesummt. Beim Gedanken, wie es wohl ausgesehen hätte, wenn ich übungsgemäß auch die Hände vors Gesicht gelegt hätte, musste ich lachen und vergaß dabei mein Lampenfieber. Im Vortragssaal machte ich eher instinktiv ein paar Scherze mit meinen Zuhörern – letztlich bedeuteten aber auch die nichts anderes als Defokussierung, Sinn und Zweck der Erste-Hilfe-Übung Nr. 10. Mit anderen Worten: Vielen Dank für die zahlreichen Übungen und Tipps.
Julia
5. März 2018 at 14:57Liebe Gabriele Neumann,
toll, dass so viele Übungen umgesetzt werden konnten! Und “drüber Lachen”-Können: Das ist sowieso die schönste Art der Defokussierung. Herzliche Grüße und weiterhin viel Erfolg – Julia Kokke